Samstag, 24. Januar 2009
 
Nachwahlschmerzen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Bernhard Redl   
Mittwoch, 15. November 2006

Notizen und Ezzes zum Regierungsgwirks - Die Grünen wollen Neuwahlen, wenn es keine große Koalition gibt. Doch was wäre danach? Sofern das BZÖ wegen erwiesener politischer Belanglosigkeit nicht aus dem Parlament kippt, ist eine neuerliche Pattsituation zu erwarten.

Den Grünen selbst würde es wahrscheinlich auch nicht helfen, vielleicht würde sie gar den dritten Platz verlieren und Eva Glawischnig nicht nur als jüngste, sondern auch als die am
kürzesten amtierende Nationalratspräsidentin in die Geschichte eingehen. Also wozu? Nunja, ein "Gutes" hätten natürlich Neuwahlen: Mit einer Auflösung des Parlaments verfielen alle laufenden Projekte: Gesetzesanträge zum Beispiel, aber eben auch Untersuchungsausschüsse. Und die SPÖ wird sich nach der Wahl wohl nicht nochmal trauen, solche Ausschüsse zu beantragen. Einer Regierungsbildung mit Verfassungsmehrheit und der Lizenz zum "Drüberfahren" stünde dann nichts mehr im Wege. Haben die Grünen vor lauter staatstragender Attitüde Angst vor der eigenen Courage eines "lebendigen Parlamentarismus"?

Die KPÖ könnte hingegen ohne Neuwahlen eine stabile Regierungsmehrheit zustandebringen. Klingt komisch, ist aber so. Denn als wahlwerbende Partei hat sie
natürlich auch das Recht, die Wahl anzufechten. Während alle anderen Parteien bereits versicherten, keine Anfechtung vor den VfGH zu tragen -- zumeist wohl weil sie nicht als unfair dastehen und die Wähler für unreif hinstellen wollen, schließlich könnten ja bald Neuwahlen kommen --, ist die KPÖ in der glücklichen Lage, dies schon zu tun. Schließlich hätte sie als 1%-Partei dabei nichts zu gewinnen. Und in der Partei denkt man auch laut darüber nach, das BZÖ wegen seiner irreführenden und in der Wahlwerbung verbotenen Bezeichnung "Die Freiheitlichen" sowie der verschiedenen Listenführernamen aus dem Parlament zu klagen. Außerdem will man sich dafür einsetzen, daß Hans-Peter Martin in den Nationalrat kommt -- mit einer rechtlich abenteuerlichen Konstruktion: "In Niederösterreich war die Wahlzahl 27.914, aber Martin hat 29.800 Stimmen erreicht. Da er aber kein Grundmandat in einem Regionalwahlkreis hat und bundesweit nicht vier Prozent erreicht hat, ist er nicht zum Zug gekommen", meinte Pressesprecher Didi Zach gegenüber der APA. Schließlich sollte jede Stimme gleich viel wert sein, so Zach -- diese Argumentation ist aus dem Blickwinkel der KPÖ allerdings nur zu verständlich.

Eine Entscheidung über eine Anfechtung ist am Donnerstag zu erwarten. Am Freitag läuft die Frist zur Anfechtung der Wahl ab. Eine Entscheidungshilfe gibt es auch schon im Netz: Unter http://www.wahlanfechtung.at.tt fordert eine private Initiative auf, der KPÖ per Mail Zustimmung zu dieser Idee zu signalisieren. Ob der VfGH allerdings entscheiden würde, bevor ein Neuwahlantrag im Parlament durchginge, ist fraglich. Witzig wäre auf alle Fälle, wenn es keine Neuwahlen, sondern doch noch eine große Koalition gäbe und die zu arbeiten begänne und plötzlich die SPÖ vor die Frage gestellt würde, ob sie nicht "genschern" will. Allein wegen dieser Nagelprobe wäre eine Anfechtung den Versuch wert.

Ebenfalls an eine Parteispitze appellieren möchte die Sozialistische Jugend -- und zwar an ihre eigene. Der SPÖ-Führung sollen über http://www.minderheitsregierung.at Mails gesandt werden mit dem Inhalt, die ÖVP doch in die Wüste zu schicken und ganz offensiv eine Minderheitsregierung anzustreben -- nicht wegen der Mimosenhaftigkeit der ÖVP, sondern weil sie "in den letzten sechs Jahren oft genug bewiesen [habe], dass sie keinesfalls die Zukunft dieses Landes weitergestalten" dürfe. Wie sich die SJ das im Detail vorstellt und wer eine solche Regierung dulden solle, darüber schweigt die Site. Stattdessen gibt es dort einen halblustigen Anti-ÖVP-Song von Mike Supancic zum Download. Immerhin zeigt die SJ damit, daß sie ihre Mutterpartei nicht so ganz aus ihrer Verantwortung wegen ihrer Wahlversprechen lassen möchte -- was für die Jusos nach sehr langer Zeit wieder das erste Mal ist.

Erstaunlich ist aber auch, daß von der ÖVP noch keine "Jetzt sind wir aber beleidigt!"-Sprüche zu hören waren. Denn wenn die Jusos auch in einer Koalition ihre Feindschaft gegen die Dollfuß-Verehrer nicht aufgäben, könnte das für die neue Regierung doch recht belastend sein. Schüssel und Co. gehen aber wohl davon aus, daß die SPÖ ihren Nachwuchs dann schon noch zur Räson brächte. Wäre ja nicht das erstemal.

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